Stadt
Fürstenau
Die Schweizerischen Kunstführer GSK sind ein Produkt aus dem reichthaltigen Angebot an Publikationen und Veranstaltungen der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK.
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Herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem Bündner Heimatschutz (Protecziun de la patria Protezione della patria) und mit der Kantonalen Denkmalpflege Graubünden sowie mit Unterstützung von der Gemeinde Fürstenau, der Bürgergemeinde Fürstenau, dem Kreis Domleschg, der Stiftung Johann Martin von Planta, Stoffelhaus, Fürstenau, und der Schwendener Stiftung
Redaktion
Kathrin Gurtner, lic. phil, GSK
Gestaltung
Esther Bruni-Steigmeier, Thun
Lithos
Schaer Thun AG, Uetendorf
Druck
Casanova Druck und Verlag AG, Chur
Abonnement
Jahresabonnement Fr. 82.- für 12 bis 20 Hefte
© Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2001
ISBN 3-85782-697-5
Serie 70, Nr. 697
Fürstenau - Stadt im Kleinstformat
Taschenbuch von Markus Rischgasser
Lage und politische Zugehörigkeit
Fürstenau liegt im Domleschg, nordwestlich von Scharans, zwischen Sils und Pratval im Kanton Graubünden. Geografisch gesehen steht die Bezeichnung Domleschg für die dritte Talstufe des Hinterrheins zwischen Viamala und der Talsperre von Rothenbrunnen. Seit dem Inkrafttreten der kantonalen Gebietsreform in den Jahren 2016/2017 gehört Fürstenau mit 21 weiteren Ortschaften/Gemeinden zusammen zur Region Viamala. Das in der Ebene lediglich zwischen 600 und 700 m ü. M. liegende Tal zeichnet sich durch seine liebliche Landschaft aus. Der Talboden ist breit, gegen Osten erheben sich von urbarisierten Schuttkegeln durchzogene Terassen, gegen den Heinzenberg hin steigen die Hänge sanft an. Im Domleschg herrscht ein mildes Klima, das sich für den Obstanbau als optimal erweist. In den Dörranlagen, die in Fürstenau noch zahlreich erhalten sind, manifestiert sich die ehemalige Bedeutung des Obstanbaus auch architektonisch. Die eindrücklichste Fülle von Burgen und mittelalterlichen Kapellen schliesslich liefert den Beweis dafür, dass das Tal schon früh kultiviert worden ist.
Gemeindestruktur, Bevölkerung und Umgebung
Die politische Gemeinde Fürstenau setzt sich aus zwei Teilen zusammen, aus dem nach Süden ausgerichteten Burgstädtchen und aus dem etwa einen Kilometer südlich davon gelegenen Strassendorf Fürstenaubruck. Wie ein Vergleich mit der Siegfriedkarte von 1875 zeigt, weist das Burgstädtchen seit dem späten 19. Jahrhundert keine wesentlichen Veränderungen im Baubestand auf. In der Zeit zwischen 1850 und heute bewegten sich die Einwohnerzahlen konstant zwischen 200 und 350.
In der näheren Umgebung, nordöstlich des Ortes sind die mit Bruchsteinmauern eingefassten Baumgärten und der flache Hügel, wo im Mittelalter der Galgen stand, zu erwähnen. Weiter östlich finden sich ehemalige Hanfrösten. Auf einem alten Plan sind im Gebiet der Flur Padreins, westlich unterhalb des Feldweges, der nach Cresta und Klein Rietberg führt, Gräben eingezeichnet, die mit «Hanfrozze» bezeichnet sind. Die Gruben wurden durch einen Kanal, der noch teilweise im Gelände auszumachen ist, mit Wasser gespiesen. Hanfrösten dienten der Aufweichung von Hanf, dessen Verarbeitung zu Seilen und Stoffen in Graubünden weit verbreitet war.
Als ehemaliger Brückenkopf am Rand eines Plateaus über dem Zusammenfluss von Hinterrhein und Albula gelegen, besitzt das kompakte Strassendorf Fürstenaubruck, auf der Siegfriedkarte als «Zollbrücke» bezeichnet, ein durchaus qualitätsvolles Ortsbild. Im Süden des Dorfes, gegen den Fluss hin, hat sich an der Gasse, die einst zur Brücke führte, das ehemalige Zollhaus erhalten, bestehend aus zwei zusammengebauten Häusern aus dem Spätmittelalter und aus der Barockzeit.
Ortsbild
Obere Gasse, die zum Platz auf dem zentralen Plateau vor dem Oberen Schloss führt. Links das Stoffelhaus mit Wirtschaftsgebäude im Hintergrund, rechts die gemauerte Abgrenzung zum Garten des Oberen Schlosses hin.Fürstenau mit Blick auf den Piz Beverin. Reproduktion aus Kraneck, 1929 (Erstdruck 1837).Im Vordergrund das korrigierte Flussbett des Rheins, im Hintergrund der Felssporn mit dem Unteren Schloss im Jahr 1905.
Fürstenau besetzt den Felssporn eines Hangausläufers, der vor dem rechten Ufer des Hinterrheins als Querriegel den Talgrund des inneren Domleschgs durchdringt. Auf der Talstrasse gelangt man von Süden her in einer ersten Kurve in eine Art langgestrecktes Strassendorf, das zu einem Platz mit einem Brunnen ansteigt. Dieser Platz, der im Osten von einer mächtigen Scheune begrenzt wird, lag ehemals vor den Stadttoren. Die Strasse wendet sich in einer zweiten Kurve wieder vom Siedlungskern ab und führt, am Oberen Schloss vorbei, mitten durch dessen Garten, gegen Norden weiter.
Westlich der Talstrasse, zuoberst auf dem Sporn, reihen sich an der nach Norden steil abfallenden Felskante die beiden Schlösser mit ihren Nebenbauten auf. Ihnen beiden ist gegen Osten bzw. Westen eine grosse Gartenanlage vorgelagert. Auf dem zentralen Plateau befindet sich vor dem Oberen Schloss ein baumbestandener Platz, von dem aus zwei Gassen zum Unteren Schloss führen. Sie umschliessen das Meierhaus mit Garten und Stall. Bis an den Rand dieses obersten Plateaus reicht die Gebäudereihe, die vom Stoffelhaus, am Platz mit dem Brunnen, bis zum Pfarrhaus, am anderen Ende der Häuserzeile, nur einmal durch eine Quergasse unterbrochen wird. In dieser bebauten Zone ist die innere Umfassungsmauer noch an verschiedenen Orten nachweisbar, an anderen zumindest spürbar. Unter diesem Riegel aus Wohn- und Ökonomiebauten verläuft die untere Gasse auf einer (möglicherweise künstlichen) Terrasse etwa in der Hangmitte. Die Gasse beginnt beim Brunnenplatz unterhalb des Stoffelhauses, an dem das Mauerwerk der unteren Toranlage im Ansatz noch nachgewiesen werden konnte. Am Ende der Stadtanlage mündet sie ein einen Bogen, der zum obersten Plateau, zum Schlossbezirk, hinaufführt. Unterhalb dieser Gasse lockert sich die Bebauung auf. Zwischen Ökonomiebauten finden sich einzelne stattliche Wohnhäuser. Auch sie sind von Gärten umgeben, die bis an den Fuss des Hügels hinunterreichen, wo sie lediglich von Stützmauern begrenzt sind. Von einer ehemaligen aufgehenden Ringmauer fehlt jede Spur. Das Bächlein, das wohl ehemals den Graben speiste, wurde in eine Röhre verlegt und tritt erst unterhalb des Gartens des Unteren Schlosses ans Tageslicht.
Schliesslich verbinden die in einer dichten Reihe unterhalb der Talstrasse angeordneten Bauten den Brunnenplatz mit der Pfarrkirche, dem bescheidenen Gegengewicht im Tal zu den Schlössern auf der Anhöhe. Zusammen mit dem ummauerten Friedhof und einem aus Wohnhaus und Scheune bestehenden Bauernhof bildet die Kirche einen eigenen, wenn auch winzigen Bezirk.
Die mittelalterliche Struktur des Städtchens und die spätbarocken Herrschaftssitze mit ihren Parkanlagen haben sich sehr gut erhalten. Als Gesamtanlage weist Fürstenau mit seinen Grossbauten auf verschiedenen Ebenen, die ringförmig von einfacheren Wohnbauten umgeben sind, besondere räumliche Qualitäten auf.
Obere Gasse, die zum Platz auf dem zentralen Plateau vor dem Oberen Schloss führt. Links das Stoffelhaus mit Wirtschaftsgebäude im Hintergrund, rechts die gemauerte Abgrenzung zum Garten des Oberen Schlosses hin.
Im Vordergrund das korrigierte Flussbett des Rheins, im Hintergrund der Felssporn mit dem Unteren Schloss im Jahr 1905.
Fürstenau mit Blick auf den Piz Beverin. Reproduktion aus Kraneck, 1929 (Erstdruck 1837).
Ein bischöflicher Meierhof als Ursprung von Fürstenau
Die bischöfliche Macht im Domleschg war vermutlich schon in der Epoche des Frankenreichs, im ersten Jahrtausend, ausgebildet. Aus dem unvollständig erhaltenen Reichsurbar (Güter- und Abgabeverzeichnis der kaiserlichen Herrschaft) von 831 geht hervor, dass ein Ministerium Tumliasca (bischöflicher Verwaltungsapparat Domleschg) bestanden hat. Diesem stand ein Vicedominus mit richterlicher Befugnis bevor. Es ist denkbar, dass die bischöfliche Verwaltung ihren Sitz ursprünglich auf Hohenrätien ob Sils i.D. hatte, schon früh aber in einen der drei karolingischen Königshöfe von Scharans, Almens und Tomils verlegt worden war. Vermutlich nahm ein Verwaltungsbeamter (Meier) des Bischofs damals in dem bei Fürstenau gelegenen Baumgartenland Maros Wohnsitz. Der Name Maros geht auf das lateinische Wort ad majoranem, dem Akkusativ von maiora (= Meierei oder Meierhof) zurück. Daraus entwickelte sich über ad maioranes die Bezeichnung Mairaus, welche als Name für Fürstenau urkundlich erstmals in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts auftritt.
Der neue Name: Fürstenau
Der Name Fürstenau kann erst entstanden sein, nachdem der Bischof auch Fürst geworden war. Ein Bischof mit dem Titel des Fürsten ist erstmals 1170 bezeugt: Bischof Egino von Ehrenfels nannte sich Fürstbischof. Schon unter ihm wurde der oben erwähnte Meierhof wahrscheinlich baulich erweitert. Bischöfe waren gleichzeitig geistliche und weltliche Herren, die sich oft mehr um den Bau und den Erwerb von Burgen als um ihr geistliches Amt kümmerten. Dies trifft auch auf Bischof Heinrich von Montfort zu, der seiner Regierungszeit (1251-1272) durch den Bau der Burg Fürstenau einen weltlichen Stempel aufdrückte. 1257 ist der neue Name Fürstenau im Zusammenhang mit einer bischöflichen Urkundenausstellung und einem Kellermeister («Cellarius») erstmals erwähnt.
Aus diesen Urkunden darf man also schliessen, dass Fürstenau, ein Name, der sich üblicherweise auf eine Burg bezieht, 1257 der Name des bischöflichen Meierhofs war, um den herum sich eine kleine Siedlung gebildet hat. Die Bezeichnung Fürstenau geht zum einen auf einen alten Flurnamen zurück, zum andern ist sie eine nach taktisch-politischen Gesichtspunkten kreierte Wortschöpfung, die dem ritterlichen Vokabular entstammt. Der Siedlungsname ist eine Standesbezeichnung und bezeichnet die Au des Fürsten zuerst als Meierhof, dann als Burg eines Geistlichen mit weltlichen Machtansprüchen. Der Name Fürstenau wurde erst in der Folge auf die wenig später erbaute Burg übertragen. Die baulichen Gegebenheiten hinkten demzufolge den politischen hinterher.
Mögliche Ursachen für die Befestigung des Felssporns
Im Mittelalter stieg der Bischof von Chur zusehends zum landesherrlichen Machthaber auf. Grundlage seiner dominierenden Stellung bildete die Übertragung der Reichsrechte und der Reichsgüter durch die ottonischen Herrscher um die erste Jahrtausendwende. Die kaiserlichen Schenkungen lagen vorwiegend an der Septimerroute zwischen Walensee und Chiavenna. Der Bischof hatte die herrschaftliche und die organisatorische Kontrolle über die rätische Hauptachse inne. Diese galt es durch die Befestigung von neuralgischen Punkten zu verteidigen.
Die weltlichen Dynastien treten mit ihrem landesherrlichen Hausgut erst im 13. Jahrhundert - zur Zeit der Gründung der Burg Fürstenau - in Erscheinung. Der Burgenbau stand allgemein in direktem Zusammenhang mit der territorialen Entwicklung. Der feste Platz von Fürstenau war als Mittelpunkt der bischöflichen Herrschaftsrechte im Domleschg und am Heinzenberg konzipiert, angrenzend an den Machtbereich der Freiherren von Vaz, die auf Alt-Sins (Canova) und Ortenstein sassen. Die Vazer erwiesen sich im 13. Jahrhundert als mächtigste Rivalen der Bischöfe von Chur. Geistliche und weltliche Machthaber buhlten um die landesherrliche Vormachtstellung. Seit 1250 unterhielten die Vazer die Hochvogtei in Chur. Die landesherrliche Konkurrenzsituation zwischen den beiden Parteien wurde nach Möglichkeit mit diplomatischen Mitteln geregelt, das schwierige Balnceverhältnis zwischen Bistum und Grafschaft blieb aber labil. Kleinere Geschlechter konnten sich aufgrund dessen gewisse Autonomien erschleichen, was die politische Situation in der Mitte des 13. Jahrhunderts zusätzlich destabilisierte.
Die Gründung der Burg
Angesichts der gegebenen politischen Situation erscheint die Gründung einer befestigten Burg in Fürstenau als kluger taktischer Schachzug des Churer Bischofs. Ausserdem bestand durch die selbstbewusste Namengebung (siehe oben) ein gewisser Handlungsbedarf.
Der Platz - nahe dem Flussübergang nach Thusis und inmitten der besten bischöflichen Güter, nahe der Schynstrasse, die zur Septimerroute führte - war von Heinrich von Montfort sorgfältig ausgewählt worden und enthielt einige politische Sprengkraft. Fürstenau konnte am Zugang zum Schyn die Verbindungen des Vazischen Besitzes im Domleschg mit ihrem Stammland im Gebiet der Albula empfindlich stören.
Wenn man dem Verzeichnis der «Vestinen» (Vesti = befestigte Anlage) des Bistums von 1410 Glauben schenken darf, wurde die Burg 1272 erbaut. Dort heisst es: «Die vesti Fürtnow buwt der egenant byschoff Heinrich von Montfort zu den ziten, do man zalt anno domini MCCLXXII». Diese historiografisch festgelegte Datierung ist jedoch alles andere als sicher. Wann mit dem Bau der Burganlage tatsächlich begonnen wurde, kann nur aufgrund der urkundlichen Zeugnisse rekonstruiert werden. Die ersten urkundlichen Erwähnungen von Fürstenau (1257) beziehen sich sehr wahrscheinlich noch nicht auf die Burg, sondern auf den bischöflichen Meierhof. Ob sich die von Domprobst Burkhard von Wittinbrunn (1243-1270) in Auftrag gegebene cellaria, ein Wirtschaftsgebäude, bereits in der Burg befand, ist gleichfalls nicht zu bestimmen. Erst 1282 urkundet der Bischof explizit «in castro», also auf der Burg.
Die heutige Situation vor Ort vermag die Geschichte der Burgengründung auch nicht zu erhellen. Aus der Frühzeit der Burg sind lediglich einzelne Bauteile erhalten, die grösstenteils in späteren Bauten integriert sind. Sie ergeben jedoch kein vollständiges Bild von der ursprünglichen Anlage. Die Hauptburg muss aber Wohn- und Repräsentationszimmer für den Bischof und seinen Hofstaat enthalten haben, ferner Räumlichkeiten für die landesherrliche Verwaltung. Bereits 1295 sind Ämter des bischöflichen Hofstaates von Fürstenau urkundlich vermerkt, mit denen die vornehmen Herren aus der Umgebung belehnt waren: Mundschenk, Bechermeister, Wagenmeister, Marschall, Küchenmeister, Bäcker-, Schmiede-, Metzger- und Schusteramt. Aufgrund dieser urkundlichen Erwähnungen liegt die Vermutung nahe, dass der Ausbau und die Befestigung von Fürstenau um etwa 1260 und nicht erst im Jahr 1272 begonnen hat.
Die Entwicklung zur Stadt
Im Verlauf des 14. Jahrhunderts erhielt die landesherrliche Grossburg durch eine dichtere Besiedlung der Vorburg einen städtischen Charakter bescheidenen Ausmasses. Eine Urkunde von 1383 bezeugt, dass der Hauptburg gegen die Brücke zu eine Vorburg (lat. Atrium) vorgelagert war. Hier waren bäuerliche und handwerkliche Untertanen angesiedelt, die für die Versorgung der Burgherren zuständig waren, und, wie das Haus Stoffel zeigt, offenbar auch ritterliche Dienstleute.
Architektonische und politische Entwicklungen stehen in einem Wechselverhältnis zueinander. Mitte des 14. Jahrhunderts gelang es dem Bistum Chur, nicht nur ein Marktprivileg, sondern auch eine Gerichtsstätte für die Blutjustiz zu erlangen. König Karl IV. liess Bischof Ulrich V. (1331-1355) am 13. Mai 1354 ein Diplom überreichen, das Fürstenau das Recht auf Kerker, Stock und Galgen, sowie die Abhaltung von zwei Jahrmärkten am St. Michaels- und St. Georgstag übertrug. Damit war Fürstenau auch in juristischem Sinn zur Stadt avanciert. Ihre Ausdehnung von 1354 deckt sich mit derjenigen der 1272 erwähnten Burg.
Nicht nur als Handels- und Marktplatz besass das Städtchen grosse Bedeutung, es war auch zum Zentrum fürstlicher Besitzungen im oberen Teil des Domleschgs aufgestiegen. Sehr deutlich hat sich also die Burg als starker Anziehungspunkt bewährt.
Um 1300 setzte im Gebiet von Graubünden ein Territorialisierungsprozess ein, der das politische Geschehen bis in die Zeit nach 1450 massgeblich beeinflusste. Adlige Herrschaftsbereiche wie etwa derjenige der Herren von Rhäzüns ergänzten oder überlagerten das bischöfliche Herrschaftsgebilde. Keine der Parteien besass ein geschlossenes Territorium.
Schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde Fürstenau in den Strudel der bischöflichen Machtkämpfe mit hineingerissen. In diesem Zusammenhang sind die wenigen überlieferten urkundlichen Erwähnungen von Fürstenau zu sehen: 1333 versprach der Bischof den Herren von Rhäzüns 1000 Mark, vierhundert davon durch die Burg Fürstenau, die demnach verpfändet wurde. 1347 diente die Burg als Sicherheit dafür, dass sich der Bischof wieder in die Gefangenschaft des Grafen von Tirol begebe, aus der er freigelassen worden war. Fürstenau wurde daraufhin an Walter von Stadion übergeben. 1351 musste ein Schiedsgericht den Streit um die Burg Fürstenau zwischen dem Bischof und den Grafen Montfort entscheiden. 1367 schliesslich wurde Fürstenau vom Domkapitel und von den bischöflichen Lehensleuten besetzt. 1387 erlangte es im Zusammenhang mit dem Ausbau des Septimerpasses durch Johann von Castelmur erneut grosse Bedeutung.
Das Ende der bischöflichen Landesherrschaft: Das 15. Jahrhundert
Der Bischof residierte oft in Fürstenau und stellte Urkunden aus. Auch das Lehensgericht wurde gelegentlich da abgehalten. Zinsen aus dem ganzen Domleschg und vom Heinzenberg mussten nach Fürstenau abgeliefert werden. Bezeugt ist dies für Güter in Flerden, Sarn, Tartar, Scheid, Scharans, das Gebiet um Rietberg und Pratval.
Unter den Burgen, deren Einnahmen der Bischof wegen der Geldschuld gegenüber Zürcher Juden 1409 dem Gotteshaus verpfändete, befand sich auch Fürstenau. Durch bischöfliche Urkunden bezeugt sind am Ende des 15. Jahrhunderts der Burggraben und das Gefängnis im Turm.
Die bischöfliche Position hing auch von der Verkehrspolitik ab. 1473 machten die Werdenberg, die Erben des Vazischen Besitzes im Domleschg, gemeinsam mit ihren Untertanen die Viamala passierbar. Der Splügenpass war dem Septimer nun gleichauf. Der Transitverkehr verlagerte sich daraufhin auf die linke Talseite, was zum Aufstieg von Thusis, das 1497 das Marktrecht erhielt, und zur Abwertung von Fürstenau führte.
Das 16. Jahrhundert und die Zeit danach
Projektskizze des bischöflichen Schlosses. Ob es sich beim Umbau von 1709-1711 um die Umsetzung dieser Skizze gehandelt hat, lässt sich nicht mehr eruieren.
Der Bundesbrief von 1524 und die Ilanzer Artikel von 1524 und 1526 beschnitten die politische Macht des Bischofs. Die konfessionellen und herrschaftlichen Verhältnisse wurden neu geregelt. Politisch war der Bischof zwar in die Bedeutungslosigkeit abgesunken, doch am Besitz und am Bestand des Bistums wurde letztlich nicht gerüttelt, was dessen lange Präsenz in Fürstenau erklärt.
Im 17. Jahrhundert hatten neben anderen lokalen Geschlechtern die Schauenstein von Ehrenfels die Vogtei als Pfandlehen inne: Sie liessen das Obere Schloss erbauen, das von nun an mit der bischöflichen Residenz konkurrierte.
Auch nachdem die ehemalige Herrschaftsstellung des Bischofs im Domleschg längst zu einem Schatten verblasst war, behielt das bischöfliche Schloss noch seine Bedeutung als Verwaltungssitz der Güter, als Residenz und als Jagdschloss bis ins 18. Jahrhundert hinein inne, als es unter Bischof Benedikt von Rost nochmals Tage fürstlichen Glanzes erlebte.
1709 erwarb das Gericht Fürstenau vom Bischof die letzten Herrschaftsrechte. Das Schloss mit Gütern blieb jedoch in bischöflichem Besitz.
1742 wurde das Städtchen durch einen Brand zerstört. Unmittelbar danach wurden die beschädigten Gebäude, darunter auch die Schlösser wieder aufgebaut. Politisch und gesellschaftlich hat sich Fürstenau nur noch als Dorf etablieren können, nicht zuletzt deshalb, weil der Markt nach Fürstenaubruck verlegt worden war.
Projektskizze des bischöflichen Schlosses. Ob es sich beim Umbau von 1709-1711 um die Umsetzung dieser Skizze gehandelt hat, lässt sich nicht mehr eruieren.
Die Struktur der Stadt Fürstenau
Bei Fürstenau handelt es sich um eine Stadt, deren Gestalt nach geomorphem Prinzip aufgebaut ist, das heisst, die Mauern folgen dem natürlichen Verlauf des Geländes. Vom Brunnenplatz führen zwei benachbarte Stadttore ins Innere der befestigten Anlage. Diese war über zwei parallele Gassenzüge erschlossen und kam ohne Querverbindungen aus. Das mittelalterliche Fürstenau war dominiert von zwei Wehrtürmen, die später in die beiden Schlösser integriert wurden.
Die kleine, ringförmig angeordnete Anlage erscheint noch heute als geschlossene Einheit und lässt die Entwicklung von der Höhenburg mit Haupt- und Vorburg zur Stadt erkennen. Trotz des Brandes im 18. Jahrhundert ist die mittelalterliche Struktur ablesbar geblieben. Zur tiefer gelegenen Kirche hin war ein kleines bäuerliches Quartier angesiedelt, das eine Art Vorstadt bildete.
Der Verlauf der Stadtmauer
Im Hintergrund sichtbarer Teil der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert, der heute in das Wirtschaftsgebäude beim Stoffelhaus integriert ist. Davor liegt der von einer Mauer abgeschlossene, terrassierte Garten.
Im Osten geben die Flucht des bischöflichen und des ehemaligen Schauenstein'schen Schlosses am Plateaurand den Verlauf der Stadtmauer an. Gemäss Andrea Schorta, Assistent des Privatgelehrten Robert von Planta, handelt es sich bei dem flachen Wulst im Gelände zwischen dem Baumgarten und dem davor gelagerten, tiefer liegenden, ehemaligen Gemüsegarten östlich des Oberen Schlosses um den letzten Überrest der mittelalterlichen Einfriedung. Der Turm des späteren Schauenstein'schen Schlosses ist als Teil dieser Befestigung anzunehmen. Zur bischöflichen Burg gehörte er jedenfalls nicht, da er von ihr etwa 75 m entfernt liegt und sich in den Mauermassen erheblich von dessen Turm unterscheidet.
In der Nordwand des Hauses Stoffel konnten Reste der Ringmauer festgestellt werden. Heute ist dieser Teil der Stadtmauer freigelegt, so dass man das sauber und lagenhaft gefügte Mauerwerk im Ährenverband (opus spicatum) gut erkennen kann. Eine solche Schichtung findet man auch an den Stadtmauern von Chur und Maienfeld aus dem 13. Jahrhundert.
Die ehemalige innere Stadtmauer verlief demzufolge auf der Nordseite entlang der Aussenmauern der beiden Schlösser und auf der Südseite entlang der Nordseite des Stoffelhauses auf die Westflucht des bischöflichen Schlosses zu. Das Stoffelhaus hatte eine zentrale Stellung, grenzten doch die beiden Stadttore an seine Aussenmauern. Die Befestigung der ehemaligen, aus Ringmauer und vorgelagertem Graben bestehenden Vorburg, ist abgetragen und ausgeebnet. Der genaue Verlauf ist unklar. Die Kirche jedenfalls lag ausserhalb des
Im Hintergrund sichtbarer Teil der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert, der heute in das Wirtschaftsgebäude beim Stoffelhaus integriert ist. Davor liegt der von einer Mauer abgeschlossene, terrassierte Garten.
Geschichtlicher Kontext und Baugeschichte
Die Kirche zu Fürstenau wird erstmals im Diplom von 13. Mai 1354 erwähnt und zwar mit der Zuordnung zu den Heiligen Martin und Georg. Dieser Titel scheint dann durch den Namen Heilige Drei Könige, ein ursprünglich vorhandenes Nebenpatrozinium, verdrängt worden zu sein. Anders als in politischer Hinsicht war Fürstenau in kirchlichen Belangen nur zweite Wahl: Fürstenau war in die Pfarreien Almens, Scharans und Sils aufgeteilt, wohingegen diese Gemeinden zusammen mit Pratval zu der Gerichtsgemeinde Fürstenau gehörten. Daran mag man erkennen, dass Fürstenau für die bischöfliche Macht immer schon eher weltliches, denn kirchliches Zentrum war.
1715 (Jahreszahl über dem Chorbogen) fand ein Umbau des Gotteshauses statt, der im Wesentlichen den heutigen Bau ausmacht. Vom spätgotischen Bestand stammen wohl nur noch die Umfassungsmauern. Eine Renovation fand im Jahre 1923 statt. Diese wurde von den Architekten Otto Schäfer & Martin Risch aus Chur ausgeführt: Die Kirche wurde innen und aussen neu verputzt und mit einer neuen Ausstattung versehen. Im Jahre 2010 bis 2011 wurden die letzten Restaurierungsarbeiten getätigt. Die inneren Arbeiten waren das Reinigen aller Oberflächen und Neufassen, weisser Kalkanstrich, Konservieren und Reinigen von Inschriften in Chor und Schiff. Erneuerung der Elektroinstallationen und der Bankheizung. Neuer Holzboden im Schiff (Gang). Materialschränke links und rechts vom Eingang, neuer Tauftisch, Abendmahltisch (über bestehenden schiebbar), diverse Objekte wie Kerzenhalter, Sockel für Pflanzengefässe etc. in Arve massiv. Neuanordnung von bestehenden Bänken im Chor. Bei den äusseren Arbeiten wurde der schadhafte Putz im unteren Wandbereich ersetzt. Die ausführenden Architekten waren: ARGE Peter Calonder und Hansjürg Erismann. Der Restaurator war Matthias Mutter.
Beschreibung
Zusammen mit dem ummauerten Friedhof und den zwei anliegenden Gebäuden bildet die Kirche eine geschlossene Einheit mit einer kleinen Platzanlage, die den Eingang erschliesst.
Die nach Osten gerichtete Kirche besteht aus einem einschiffigen Langhaus und einem schwach eingezogenen, dreiseitig geschlossenen Chor, dessen Höhe mit derjenigen des Langhauses übereinstimmt. Das aus drei Jochen (Gewölbefeldern) bestehende Schiff ist mit drei querrechteckigen Kreuzgratgewölben überdeckt. Sie liegen auf viereckigen Wandpfeilern auf und werden durch flache Gurten (Verstärkungsbögen des Gewölbes, die quer zur Längsachse verlaufen) voneinander getrennt. Es gibt kein durchgehenden Gesims, lediglich Gebälkstücke auf Wandpfeilern. Über dem Chor sitzt ein rippenloses Gewölbe mit tief einschneidenden Stichkappen, das über flachen Spitzkonsolen (Tragelementen) aufsteigt. Masswerklose Spitzbogenfenster in Schiff und Chor und eine Lünette über dem rundbogigen Eingang beleuchten den Innenraum, dessen Ausstattung dem reformierten Kultus entsprechend schlicht ist: weisse Wände, geschnitzte Holzkanzel und Holzbänke. Einziges älteres Element ist der polygonale Kanzelkorpus mit Schuppenpilastern und Eierstabfries. Er stammt aus der Zeit um 1700, also aus der Zeit vor dem eingreifenden Umbau.
Die Aussenansicht der evangelischen Kirche von Fürstenau zeigt einen strebelosen Chor, ein Seitenschiff mit einfachen, viereckigen Vorlagen, ein einheitliches, über dem Chor abgewalmtes Satteldach und einen auf der Nordseite des Chores angebauten Turm von 1715 mit Glockengeschoss und achteckigem Spitzhelm über den Wimpergen.
Am Brunnenplatz, vor dem ehemaligen unteren Stadttor liegt die «Alte Post». Es handelt sich um ein grosses Gebäude, dessen äussere Erscheinung, durch einen Umbau um 1800 geprägt, einen eher unscheinbaren Eindruck hinterlässt. Bedeutend ist es aufgrund seiner Bausubstanz und der Lage vor den Toren. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand vor dem alten Hauseingang ein gedeckter Hof. Ein alter Stich, auf dem das Haus zu erkennen ist, legt die Vermutung nahe, dass der Dachfirst ursprünglich in der Ostwestachse, und nicht wie heute in der Nordsüdachse verlief.
Die Baugeschichte des Gebäudes reicht ins Mittelalter zurück. Bemerkenswert sind das kleine Schartenfenster und die mit einem Blendbogen verzierte Eingangstüre. Im Inneren des Hauses lassen sich ältere Baustrukturen ablesen.
Gegen Süden hin befindet sich ein zweistöckiges Holzhaus in Strickbauweise mit einer jüngeren Vormauerung auf einem wahrscheinlich älteren, gemauerten Kellergeschoss.
Die Kellerräume unter dem gemauerten Teil des Hauses weisen Tonnengewölbe auf, wie sie auch im Stoffelhaus zu finden sind. Gegen Norden liegen der gemauerte, dreigeschossige Küchentrakt mit gewölbten Decken und ein im Grundriss turmartiger, ebenfalls dreigeschossiger Bau mit einer gewölbten Speisekammer im Untergeschoss. Diese ist im Grundriss jedoch kleiner als der darunterliegende Kellerraum mit einer Mauernische gegen die Nordseite. Die Konzeption des Grundrisses lässt vermuten, dass hier ein ehemals freistehender, mittelalterlicher Wohnturm integriert worden ist.
Die «Alte Post» erfuhr im Jahr 2000 unter Begleitung der Kantonalen Denkmalpflege eine umfassende Restaurierung
Die «Alte Post», das baugeschichtlich interessante Gebäude am Brunnenplatz vor den ehemaligen Stadttoren. Rechts im Bild der Beginn der unteren Gasse, flankiert von einem Wohnhaus (links) und dem Stoffelhaus (rechts). Links die auf der gegenüberliegenden Strassenseite der Talstrasse stehende mächtige Holzscheune.
Baugeschichte
In einem Urbar von 1383 wird eine bischöfliche Besitzung in der Vorburg von Fürstenau erwähnt. Der Kunsthistoriker Erwin Poeschel vermutete als erster, dass es sich bei dieser Besitzung um das heutige Stoffelhaus handeln könnte.
Am Ende des 14. Jahrhunderts ist ausserhalb der Stadtmauern am Südosthang in der Tat ein Gebäude errichtet worden. Im Grundriss weist es einen östlichen (10 x 5,5 m) und einen westlichen Raum (7 x 5 m) auf. Die beiden tonnengewölbten Räume sind durch einen 2.8 m breiten Mittelgang voneinander getrennt. Dieses einfache Gebäude, die Vorburg, wies in seiner ursprünglichen Gestalt drei Geschosse mit identischen Grundrissen auf. Der unterste, östliche Raum mit Schartenfenstern und einem Verputz mit horizontalem Fugenstrich ist noch heute praktisch in ursprünglicher Form erhalten.
Im Spätmittelalter fand ein massiver Ausbau des Gebäudes statt. Die bestehende dreigeschossige Anlage wurde um ein Geschoss aufgestockt und nach Norden bis zur Stadtmauer hin erweitert, die damit in die Nordfassade integriert wurde. Es handelt sich dabei um den östlichen Teil der südlichen Ringmauer, die einst auf der Höhe des heutigen Hauses gegen Norden in Richtung Oberes Schloss abwinkelte. Auf der Südseite ragte ein Treppengiebel über das neu aufgesetzte Dach heraus und verlieh dem Haus eine herrschaftliche Ausstrahlung. Die ganze Aussenfassade ist in dieser Zeit neu verputzt worden. Auf der Schauseite wurden im dritten Geschoss verschiedene Dekorationseinfassungen aufgetragen, was darauf schliessen lässt, dass die Wohnräume in diesem Geschoss lagen und die Schlafräume im neuen Dachgeschoss untergebracht waren. Diese einschneidende Umwandlung des Gebäudes von der Vorburg in ein herrschaftliches Haus dürfte ins 15. Jahrhundert zu datieren sein.
Mitte des 16. Jahrhunderts erfuhr der gotische Bau nochmals einen Umbau, indem das Dachgeschoss in ein Wohngeschoss umgewandelt wurde. Das Dach wurde auf den bestehenden Treppengiebel an der Südfassade aufgelegt, so dass dieser nicht mehr sichtbar war. Das vierte Geschoss umfasste nun Stube, Küche und Kammern. Der an die Nordseite verlegte Hauseingang, dessen Türsturz mit 1549 datiert ist, wurde über einen terrassierten Vorplatz erschlossen. Der gotische Putz und die Dekorationseinfassungen blieben bestehen. Die neuen Teile wurden dem bestehenden Verputz angepasst, einzig die Fassungen der neuen Fenster an der Ostfassade wurden der Fomensprache der Renaissance entsprechend ausgeführt. Dazu gestaltete man die Eckquaderimitationen neu. Eine am Nordteil der Ostwand aufgemalte Jahreszahl datiert diese Umgestaltung der Fassade - wie schon die oben erwähnte Aufstockung und Umgestaltung - ins Jahr 1549.
Um 1700 wurde das Gebäude nochmals um zwei Stockwerke erhöht. Das Dach lag nach der barocken Aufstockung deutlich höher als heute. Die Aussenfassaden wurden in dieser Zeit neu verputzt und die Fensterrahmungen an der Süd- und Ostfassade erhielten in Sgraffitotechnik ausgeführte gesprengte Giebel.
Während des verheerenden Dorfbrands von 27. Oktober 1742 gingen das Dach und die oberen Geschosse des Stoffelhauses in Flamen auf. Unmittelbar danach wurden die Baumstämme für den neuen Dachstuhl gefällt und die Aussenmauern um etwa 1,5 m auf ihre heutige Höhe abgetragen. Die Fassaden erhielten einen Kalkanstrich und die Stadttore wurden aufgehoben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verputzte man das Stoffelhaus mit einem Rauverputz, einem sogenannten Besenwurf. Anlässlich der 1996 von der kantonalen Denkmalpflege Graubünden durchgeführten Bauuntersuchung wurden die verschiedenen Phasen freigelegt und auf der Basis dieser Befunde die Süd- und Ostfront neu gestaltet.
Südwestlicher, tonnengewölbter Raum aus der Vorburgphase im untersten Geschoss des heutigen Stoffelhauses.
Die heutige Ostfassade des Stoffelhauses. Links daneben Blick in die Flucht der unteren Gasse.
Die heutige Gestaltung der Ostfassade
Die heutige Fassung der Ostfassade zeigt die früheren Zustände der verschiedenen Epochen. Im untersten Teil findet sich für die frühe Phase der Vorburg ein Verputz mit horizontalem Fugenstrich, in Pietra-rasa-Technik aufgetragen. Der Mörtel wird dabei derart in die Fugen zwischen den Bruch- und Lesesteinen verstrichen, dass die hervorstehenden Steinköpfe sichtbar bleiben. Die heute von aussen sichtbaren Überreste der Gotik sind die Schartenfenster mit Einfassung im zweiten Geschoss und die beiden Erker imitierenden Fenstereinfassungen im dritten Geschoss. An der Südostecke findet man auf dieser Höhe die gotische Eckquadrierung mit Diamanteneinteilung. Oberhalb davon ist die barocke Version, unterhalb die der Renaissance wiedergegeben. Aus der Renaissance stammen die gotisierende Dekoration des südlichsten Fensters im dritten Geschoss und die Steingewände des vierteiligen Fensterwagens (zwei zusammengebaute Zwillingsfenster) sowie des Zwillingfensters im vierten Geschoss. Sie datieren in die Mitte des 16. Jahrhunderts und werden von barocken Sprenggiebeln gerahmt. Ebenfalls aus der Zeit des Barock stammen die Gewände und die Einfassungen der sich heute unmittelbar unter dem Dachstuhl befindenden Fensterreihe.
Die gotischen Wandmalereien im Innern
Die heutige Fassung der Ostfassade zeigt die früheren Zustände der verschiedenen Epochen. Im untersten Teil findet sich für die frühe Phase der Vorburg ein Verputz mit horizontalem Fugenstrich, in Pietra-rasa-Technik aufgetragen. Der Mörtel wird dabei derart in die Fugen zwischen den Bruch- und Lesesteinen verstrichen, dass die hervorstehenden Steinköpfe sichtbar bleiben. Die heute von aussen sichtbaren Überreste der Gotik sind die Schartenfenster mit Einfassung im zweiten Geschoss und die beiden Erker imitierenden Fenstereinfassungen im dritten Geschoss. An der Südostecke findet man auf dieser Höhe die gotische Eckquadrierung mit Diamanteneinteilung. Oberhalb davon ist die barocke Version, unterhalb die der Renaissance wiedergegeben. Aus der Renaissance stammen die gotisierende Dekoration des südlichsten Fensters im dritten Geschoss und die Steingewände des vierteiligen Fensterwagens (zwei zusammengebaute Zwillingsfenster) sowie des Zwillingfensters im vierten Geschoss. Sie datieren in die Mitte des 16. Jahrhunderts und werden von barocken Sprenggiebeln gerahmt. Ebenfalls aus der Zeit des Barock stammen die Gewände und die Einfassungen der sich heute unmittelbar unter dem Dachstuhl befindenden Fensterreihe
Wandmalerei aus dem 14. Jahrhundert. Ausschnitt aus der Hirschjagdszene: Von links naht ein Reiter in rotem Wams und grünem Beinkleid auf einem weissen Schimmel. Vor ihm schreitet der Suchmann, der einen Leithund an der Leine hält und das Horn bläst.
Zentral im Bild der von Hatzhunden verfolgte weisse Hirsch, rechts davon der Jüngling mit einer Lanze in der Hand, welcher dem Achtender den Todesstoss geben wird.
Detail der Hirschjagdszene im Innern des Stoffelhauses
Deckblatt
Fürstenau ist gemäss dem Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung. Auf kleinstem Raum zeigt dieses Städtchen eine Vielfalt von Baustilen und Wohnmöglichkeiten. Das mittelalterliche Haus Stoffel an der Südostecke ist charakteristisch über einer polygonalen Grundfläche erstellt. Das Obere Schloss, nördlich davon, repräsentiert die mit dem herannahenden Klassizismus aufkommende Zurückhaltung spätbarocker Prachtentfaltung. Beim Unteren Schloss sind in den symmetrischen, von Eckquadrierungen eingefassten Fensterfronten, dem Scheingiebel über dem Hauptportal und der seitlichen Loggia Stilelemente lombardischer Villen auszumachen. Innerhalb des ehemaligen Städtchens bieten die vielen Gärten und Vorplätze zwischen den Bauten Raum für hohe Laubbäume und tragen ebenso viel zur hervorragenden Qualität des Ortsbildes bei, wie die städtebauliche Anordnung und die Architektur der einzelnen Bauten.
Besondere Bedeutung verleihen dem Stoffelhaus nicht zuletzt auch seine gotischen Wandmalereien. Poeschel datierte sie ins letzte Viertel des 14. Jahrhunderts, was durch eine dendrochronologische Untersuchung von Bauhölzern (1396-1420) der Vorburgphase bestätigt wird. Profane Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert haben sich in Graubünden ansonsten lediglich im Schloss Brandis in Maienfeld und auf Schloss Rhäzüns erhalten.
Die vermutlich a secco ausgeführten Malereien im Stoffelhaus finden sich im Mittelgang des zweiten Geschosses. Der Nordteil der östlichen Längswand ist mit einer Hirschjagdszene ausgestattet: Ein weisser Hirsch, ein beliebtes Motiv der höfischen Poesie, wird von Jägern verfolgt und von der Hundemeute gehetzt. Dargestellt ist der Augenblick, in dem das Tier den Todesstoss durch eine Lanze erwartet. Die Landschaft wird durch einen Hügel, einen Pfad, kugelige, grossblättrige Bäume und eine Gruppe von pyramidenförmigen schlanken Tannen angedeutet. An der Südwand finden sich ein Fragment von Simons Kampf mit dem Löwen, der Mauerring der Stadt Thimnath sowie Bruchstücke einer Szene mit drei Bauern, Kühen und einer Schafherde. Die Malereien an der Westwand sind bis auf einen Reiter mit seinem Knappen zerstört. Die Seccomalereien sind linear, dünn im Farbauftrag und bemerkenswert sicher in der Zeichnung, besonders in der Darstellung von Bewegung. Das Landschaftliche ist zwar noch schematisch, doch in der Drehung der Körper sind schon Ansätze eines räumlichen Empfindens auszumachen.
Die Bilder am vorderen Teil der Ostwand sind später zu datieren.
Das letzte Haus am Südwesthang ist das so genannte Pfarrhaus, das durch seine stattliche Grösse beeindruckt. Es besteht aus zwei architektonischen Einheiten: dem nach Süden ausgerichteten neueren Hausteil mit Krüppelwalmdach und dem zurückgesetzten, in der Ost-West-Achse verlaufenden älteren Teil mit einer vorgesetzten Laube aus Holz. Mittelalterliche Auflagesteine zeigen, dass schon sehr früh ein Umgang bestanden haben muss.
Der ältere Gebäudeteil besitzt gewölbte Keller mit Resten der wohl ersten Befestigung des Felssporns von Fürstenau. Darüber befindet sich ein grosser gewölbter Raum, der durch eine mittelalterliche Eisentüre mit Steingewände betreten wird. Es könnte sich hierbei um das ehemalige bischöfliche Archiv handeln. Ein Geschoss höher findet sich ein kleiner, als Kapelle bezeichneter Raum. Da die Kirche von Fürstenau ausserhalb der Befestigungsmauern lag, war die Notwendigkeit einer Kapelle für die bischöflichen Verwalter gegeben.
Zum mittelalterlichen Bestand gehörte auch die nördliche Grundmauer des heutigen Haupthauses, an der weitere Kellerräumlichkeiten liegen. Es handelt sich dabei um ein Stück der alten Umfassungsmauer, die vom Stoffelhaus über das Pfarrhaus bis zum bischöflichen Schloss die untere Stadtgrenze sicherte.
Im 17. Jahrhundert wurde das Pfarrhaus vermutlich von der bischöflichen Burg, deren Turm und Wohntrakt miteinander verbunden waren, getrennt. Auf einen Umbau des Pfarrhauses weist etwa die Anlage der Osttreppe von 1608. Die Treppe führte zum neuen Hauptzugang des Hauses, das nun von der unteren Gasse aus betreten wurde. Der Brand von 1742 zerstörte das Haupthaus. Es wurde noch im 18. Jahrhundert wieder aufgebaut.
Die Wetterfahne trägt die Jahreszahl 1819. Kurz zuvor hatte der Bischof das Haus verkauft. Seit 1861 ist es in Privatbesitz
Eisentüre mit Steingewände. Eingang zum vermuteten bischöflichen Archiv.
Das Pfarrhaus an der unteren Gasse, die zum Schlossbezirk hinaufleitet. Eine Treppe von 1818 führt zur Laube und zum gewölbten Raum des ehemaligen bischöflichen Archivs.
Der in der Literatur als Kapelle bezeichnete, gewölbte Raum mit Stichkappen und abgetrennter Nische.
Baugeschichte
Zur Baugeschichte des bischöflichen Schlosses gibt es wenige verlässliche Informationen. Sicher ist, dass der heute in der Ostecke des Schlosses integrierte Wehrturm oder Bergfried zuerst bestanden hat. Der spätere, mittelalterliche Wohnbau ist im Südwest-Trakt des heutigen Baus zu vermuten. Dort, 9,5 m vom Turm entfernt, zeichnen sich nämlich durch die Mauerstärke von 1,5 m die Grundlinien eines annähernd quadratischen festen Hauses von 11,5 x 13,5 m Mauerlänge ab. Dieser Bau wurde spätestens im 17. Jahrhundert mit dem Turm verbunden und zwar durch einen wesentlich schwächer konstruierten Mitteltrakt. Für 1635 ist die Anfertigung eines säulenlosen Dachstuhls von 62 Schuh Länge durch einen Meister Tang Tauscher aus dem Allgäu belegt. Die genannte Distanz entspricht der Frontbreite des heutigen Schlosses ohne Turm.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war das Schloss offenbar in gutem Zustand, da bezeugt ist, dass es 1628 von einem französischen Gesandten bewohnt war. Zwischen 1709 und 1711 wurde die bauliche Entwicklung unter Bischof Ulrich VII. von Federspiel mit einem Neubau oder mindestens mit einem umfassenden Umbau vorangetrieben. Die Überschrift des Rechnungsbuches im bischöflichen Archiv lautet: «was ich [...] zur Erbauung dess Schloss zue Fürstenauw angewandt».
Nach dem Brand von 1742 wurde das Schloss unter dem baufreudigen und kunstbeflissenen Bischof Josef Benedikt von Rost bald wiederhergestellt, allerdings in einer etwas bescheideneren Ausführung. Das heutige Schloss geht auf diesen barocken Wiederaufbau zurück. 1878 kam es unter Peter von Planta zu baulichen Veränderungen. Aus dieser Zeit stammt wohl der sich beim Mitteltrakt auf der Höhe des Treppenhauses über drei Geschosse ziehende Anbau mit sanitären Anlagen. Die Befensterung und die Veranda auf der Westseite datieren aus der Zeit der Renovationsarbeiten von 1896. Seit damals hat sich am Bau nichts Wesentliches verändert.
Südfassade des Unteren Schlosses mit dem links im Bild angeschnittenen Westtrakt, dem Mitteltrakt mit Eingangsportal und dem im Ostteil leicht hervortretenden ursprünglichen Wehrturm.
Unteres Schloss.
Historische Aufnahme des zwei Stockwerke hohen Festsaals mit den heute nicht mehr vorhandenen Wappen der drei Bünde an der Fensterfront.
Das Untere Schloss mit dem davor gelagerten Garten im Bildvordergrund.
Unteres Schloss
Mittelstück der Stuckaturen an der Saaldecke.
Unteres Schloss
Stuckatur im Erdgeschoss des westlichen Wohntrakts, der den Brand von 1742 überstanden hat.
Beschreibung des Schlosses im heutigen Zustand
Der heutige, dreigeschossige Längsbau besitzt zwar ein einheitliches Walmdach, ist aber nicht symmetrisch gegeliedert, weil er - wie die Baugeschichte zeigt - in Etappen zusammengewachsen ist. Die im Grundriss trapezförmige Anlage kommt ohne durchlaufende Korridore aus. Die Räume der einzelnen Stockwerke werden durch eine an der Nordwand ansteigende Treppe erschlossen. Hinter dem mächtigen Eingangsportal öffnet sich eine über Pfeilerstützen gewölbte Eingangshalle. Der Wappenstein des Bischofs Ulrich VII. von Federspiel ist heute im Vestibül eingelassen und nicht mehr an seinem ursprünglichen Ort über dem Eingang. Über der Halle befindet sich der grosse, zwei Stockwerke hohe Festsaal. In der Südostecke erkennt man den leicht risalitierten ehemaligen Wehrturm.
Im Innern haben sich bemerkenswerte Stuckaturen erhalten. Aus der Zeit um 1710 stammt der Engel mit Bischofsstab am Gewölbe des westlichen Parterreraumes. Die Substanz der Fläche ist bei diesem Relief konstituierender Teil der Komposition.
Die übrigen Stuckaturen datieren aus der Zeit nach 1742. An den Decken der Ostzimmer im zweiten Geschoss und der Westzimmer im dritten Geschoss ist einfacher Rokoko-Zierrat angebracht. Eine reiche Dekoration von höchster Qualität findet sich im grossen Festsaal: Im Zentrum der Decke zeigt sich das Wappen von Rost mit dem bischöflichen Steinbock im Herzschild. Der Randschmuck setzt sich aus Rocaillen und Gitterwerk zusammen. In Kartuschen sind figürliche Allegorien der vier Jahreszeiten und der vier Elemente angebracht. Die Türen werden von Supraporten mit Reliefbüsten bekrönt. Die Stuckaturen wurden von einem Meister Joseph ausgeführt, der auch im bischöflichen Schloss in Chur gearbeitet hat. Sie orientieren sich stilistisch einerseits an der Epoche des Régence, die in die Regentenzeit Philipps von Orléans (1715-1723) fällt und vor allem das Bandwerk als Ornament bevorzugt, anderseits auch schon am Rokoko, dessen Hauptmotiv die muschelförmige Rocaille ist.
Das Schloss und seine Bewohner im 19. und im 20. Jahrhundert
Was das Untere Schloss sozialgeschichtlich interessant macht, sind die Persönlichkeiten, die es in den beiden vergangenen Jahrhunderten besessen, bewohnt oder genutzt haben.
1840 nahmen die Räumlichkeiten des Schlosses eine privat finanzierte Arbeitsanstalt auf. Diese war gleichsam der Vorgänger der kantonalen Anstalt Realta, aus der sowohl die psychiatrische Klinik wie auch die Strafanstalt unten in der Talsohle hervorgegangen sind. Insgesamt konnten vierzig Personen aufgenommen werden, wobei als oberstes Ziel deren Resozialisierung galt.
1855 liess Pater Theodosius Florentini, dessen Leitspruch «Was das Bedürfnis der Zeit ist, das ist Gottes Wille» lautete, im Schloss ein Kosthaus für minderjährige Arbeiter der Wolldeckenfabrik Albula einrichten.
1876 erwarb Peter von Planta das Schloss vom Bistum. Von 1878-1896 wurde Schloss Fürstenau als erstes Landkrankenhaus von Graubünden genutzt. Auch wenn der Erfolg letztlich ausblieb, ist die Pionierrolle Peter von Plantas zu betonen. Ein neues Spital wurde im Domleschg erst 1912 eröffnet, dannzumal allerdings nicht mehr in Fürstenau, sondern in Thusis. Ansonsten diente Fürstenau Peter von Planta als Ferienresidenz und ab 1877 als Alterssitz. 1962 wurde das Schloss von den von Planta an die Emser Werke veräussert.
Das ehemals vom bischöflichen Verwalter bewohnte Haus Nr.70 trennt den Platz vor dem Oberen Schloss in die obere Gasse und in die Schlossgasse. Der Baukomplex besteht aus einem Wohngebäude, einem eingefriedeten Garten und einer Stallscheune. Die baugeschichtliche Entwicklung ist leider noch nicht erforscht. Der heutige Bau geht auf den Wiederaufbau nach dem Stadtbrand von 1742 zurück. Die Konzeption des Hauses legt aber nahe, dass viele Teile des Vorgängerbaus wiederverwendet worden sind. Die Anlage des Gebäudes ist allerdings für ein mittelalterliches Wohnhaus untypisch.
Das Meierhaus wird über einen mit Tonnengewölbe und Stichkappen versehenen Raum erschlossen. Darin befindet sich ein imposanter Rauchfang, der die Aussenfeuerung eines Stubenofens markiert. Die Haustüre wurde wohl um 1900 verbreitert und erhöht. Westlich vom Eingang sind zwei Räume mit Küchen- und Vorratsfunktion angegliedert. Dieser Bauteil besitzt Schartenfenster. Im Innern sind seine Mauern, die tiefer in den Boden reichen als diejenigen im turmartigen Eingangsbereich, mit zwei Lichtnischen ausgestattet. Vielleicht handelt es sich um ältere Bausubstanz, auf der ehemals Holzaufbauten auflagen. Die beiden Kellerräume dürften beide ihre eigene Baugeschichte haben, da der eine tonnen-, der andere kreuzgewölbt ist. Diese ist aber weder dokumentiert, noch bei der Restaurierung von 1997 geklärt worden. Im Hausteil über den Kellergewölben wurden im 18. Jahrhundert zwei schöne Täferstuben mit Balkendecken eingebaut. In der kleinen Stube steht eine Art Turmofen mit zylindrischem Aufsatz. Seine Oberflächen sind durch aufstuckierte Lisenen gegliedert und mit Blumenornamentik verziert.
Im Dachgeschoss schliesslich sind die drei langen, ausfahrbaren Dörrlauben aus dem 19. Jahrhundert erwähnenswert. Reste eines ehemaligen, steiler aufsteigenden Daches mit veränderten Bindern deuten auf eine bewegte Baugeschichte hin. Ein Schornstein mit Kranzgesims bekrönt das Dach.
Die Fassaden sind wohlproportioniert und mit Malereien dekoriert. Die renaissancehaft wirkenden Dekorelemente wie Ecklisenen, Dachbegleitband, Fenster und Türeinfassungen sind sehr präzise gestaltet und in einem hellen Grau gehalten, das durch schwarze und wenige rote Begleitlinien gerahmt wird.
Südfassade des Meierhauses von der oberen Gasse aus gesehen.
Rechts im Bild das Meierhaus, dessen Eingang sich an der Schlossgasse befindet.
Geschichte und Baugeschichte
Wie das bischöfliche Schloss hat sich das Obere, ehemals Schauenstein'sche Schloss aus einem ursprünglichen Wehrturm heraus entwickelt, an den sich gegen Süden und Westen die Wehranlagen und späteren Wohnbauten anschlossen. Der dem Schauenstein'schen Schloss vorangehende Bau war im 17. Jahrhundert bereits stark zerfallen. Die beiden Vettern, Rudolf von Schauenstein, Herr zu Reichenau und Tamins, verheiratet mit Emilia von Molina und Johann Rudolf von Schauenstein, Herr zu Reichenau und Tamins, verheiratet mit Margaretha von Schauenstein, Tochter des vorher genannten Rudolf, hatten im Domleschg und am Heinzenberg grosse Güter und in Fürstenau die Vogtei als Pfandlehen inne. Sie erwarben den zerfallenen Bau und unterzogen ihn von 1667-1676 einer grundlegenden Erneuerung. Das heutige Schloss geht auf diesen Um- und Erweiterungsbau zurück.
Am 23. April 1723 wurde das Schloss, das «grosse doppelte Behausung» genannt wurde, vom letzten Baron von Schauenstein an Carl Ulysses von Stampa verkauft. Der durch den Brand von 1742 zerstörte Bau wurde in seinem östlichen Teil in altem Glanz, im südwestlichen Trakt aber bedeutend einfacher wiederhergestellt. 1769 veräusserte die Witwe von Carl Ulysses das Schloss an Barbara von Planta aus Genf. Sie war die Mutter des Majors Friedrich von Planta, der einen Saal mit gemalten Schäferszenen und Medaillons mit weiblichen Brustbildern ausstattete.
Als unruhiger Geist, der die städtische Gesellschaft brauchte, war er froh, dass er seinen Besitz in Fürstenau bald dem 1740 geborenen Peter Conradin von Planta abtreten konnte. Nach Peter Conradin von Plantas Tod wurde der westliche Schlossflügel im Auftrag der Witwe des Verstorbenen in ein Erziehungsheim umgewandelt. Von 1825-1840 dienten die Räumlichkeiten des Schlosses einem Internatsbetrieb. Anschliessend wurde es vermietet und die Verwahrlosung schritt voran. 1863 kaufte es Peter von Planta, der später auch das Bischöfliche Schloss erwarb. Sein Sohn Robert von Planta war Sprachwissenschaftler; er machte das ansprechende Anwesen zum Mittelpunkt gelehrter und geistvoller Zusammenkünfte und entfaltete von da aus eine rege wissenschaftliche Tätigkeit. 1937 starb er inmitten seiner publizistischen Tätigkeiten.
Das Schloss wurde 1941 von Gaudenz von Planta an Rudolf Schoeller und von diesem 1961 an die Emser Werke verkauft. 1998 erwarb die Heinrich Schwendener-Stiftung das Schloss, in dem seit 1999 die Lehrstätte «Zentrum für innovatives Lernen» untergebracht ist.
Das Schloss heute
Zwei Bauteile lassen sich deutlich voneinander unterscheiden: einerseits der Hauptbau bestehend aus dem Eckturm und zwei kurzen, nach Süden und Westen gerichteten Anbauten, anderseits der an ein barockes Patrizierhaus erinnernde Trakt in der Verlängerung des westlichen Anbaus. Urkundlich festgehalten ist diese Zweiteilung schon 1732. Der Hauptbau zählt zwei Geschosse, der westliche Trakt auf gleicher Höhe deren drei. Beide Trakte besitzen unterhalb des Daches einen Mezzanin (ein niedriges Zwischengeschoss). Sowohl der Ost- wie der Westtrakt werden je durch einen separaten Eingang erschlossen. Die Ostfront weist ein Rustikaportal auf, dessen Architrav mit Blattwerk im Flachrelief dekoriert ist. Die Initialen «I.R.V.S.V.E. M.V.S.V.E. 1676» stehen für Johann Rudolf von Schauenstein von Ehrenfels und Margaretha von Schauenstein von Ehrenfels. Bevor es durch das Wappen der Planta ersetzt wurde, war hier ein Schauenstein'sches Wappen angebracht. Über der Türe des Westtraktes findet sich das Allianzwappen der Familie Schauenstein-Molina mit den Initialen «RVS EVS GM 1667» für Rudolf von Schauenstein, Emilie von Schauenstein, geborene Molina. Die beiden Begründer waren also beide verheiratet und hatten für klare Verhältnisse gesorgt.
Im Ostteil ist der Saal im ersten Obergeschoss erwähnenswert, der mit den um 1790 von Friedrich von Planta aus Paris importierten Panneaux im Rokokostil ausgestattet ist. Es handelt sich um Ölmalerei auf Leinwand: Landschaften mit Staffagen, darüber Medaillons mit weiblichen Brustbildern. Über den Türen sind querovale Seenlandschaften dargestellt. Die Stuckdecke mit klassizistischen Motiven stammt wohl erst von 1862, also aus der Zeit der von Planta. Neben dem Saal gibt es ein hübsches Kabinett mit Supraporten satirischen Genres. Ein Turmofen von Daniel Meyer stammt von 1729 aus der Stube der Schniderzunft in Chur und stand - wahrscheinlich bis 1998 - im Parterre des Turmtraktes.
Die Befensterung des obersten Turmzimmers und die Gliederung der Fassade des herrschaftlichen Teiles gehen auf die Renovation durch die Architekten Schäfer & Risch zwischen 1910 und 1912 zurück. Der Garten östlich der Strasse mit seinen Balustraden schliesslich präsentiert sich nach einem Vorschlag des Kunsthistorikers Heinrich Wölfflin (1864-1945). Wölfflin war einstiger Klassengenosse von Robert von Planta am Gymnasium von Basel gewesen und blieb zeitlebens sein intimster Freund.
Aufnahme des Oberen Schlosses um 1907, welche die Befensterung des obersten Turmzimmers vor der Renovation durch die Architekten Schäfer & Risch zeigt.
Das Obere Schloss mit der davor liegenden terrassierten Gartenanlage. In der Mitte der östliche Eingang mit dem Rustikaportal.
Oberes Schloss.
Südeingang zum Westtrakt mit dem Allianzwappen Schauenstein-Molina über dem Portal.
Historische Aufnahme des Bildersaals im Oberen Schloss, mit Panneaux in Öl auf Leinwand und Stuckdecke aus der Zeit um 1862.
Oberes Schloss
Eingangshalle des Osttrakts. Im Hintergrund rechts: Säule mit dem Wappen der Schauenstein.
Oberes Schloss.
Die Gartengestaltung mittels Terrassierung und Gliederung durch Balustraden aus dem 20. Jahrhundert.
Panneaux mit Landschaften, Staffagen und weiblichen Medaillons in einem Saal des Oberen Schlosses (Osttrakt, 1. Obergeschoss)
Ortsplan
1 Evangelische Kirche | 2 «Alte Post» | 3 Stoffelhaus / Stoffelhaus Remise | 4 Pfarrhaus | 5 Unteres, ehem. Bischöfliches Schloss | 6 Meierhaus | 7 Oberes, ehem. Schauenstein'sches Schloss
Quellen und Literatur
Archäologischer Dienst, Kantonale Denkmalpflege Graubünden: Jahresbericht 1995. Separatdruck aus dem Jahrbuch 1996 der Historischen Gesellschaft von Graubünden, Chur 1996. - Archäologischer Dienst, Kantonale Denkmalpflege Graubünden: Jahresbericht 1996. Separatdruck aus dem Jahrbuch 1996 der Historischen Gesellschaft von Graubünden, Chur 1997. - Archivakten der Kantonalen Denkmalpflege Graubünden und des Archäologischen Dienstes. - VERENA BARANDUN. Region Thusis Heinzenberg Safien Domleschg. Chur 1994. - LILLY BARDILL-JUON. Fürstenau - Die vierte Stadt Graubündens. In: Terra Grischuna, 37. Jg., Nr. 6, 1978, S. 335-337. - HEINRICH BOXLER. Die Burgennamengebung in der Nordostschweiz und Graubünden: Studia Linguistica Alemanica. Forschungen zum alemannischen Sprachraum, Bd. 6, Frauenfeld und Stuttgart 1976. - Bündnerisches Monatsblatt, Nr. 5, Juni 1851. - Bündnerisches Monatsblatt, Nr. 6, Juni 1851. - OTTO P. CLAVADETSCHER, WERNER MEYER. Das Burgenbuch von Graubünden. Zürich 1984. - PAUL FRAVI. Die Schlösser zu Fürstenau. In: Bündner Kalender, 139. Jg., 1980, S. 71-76. - Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte: Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 1971. - Institut für Denkmalpflege an der ETH Zürich. Stadt- und Landmauern. 3 Bde. Zürich 1995-1999. - ISOS (Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz). Bezirk Heinzenberg/Kreis Domleschg, Nr 5: Fürstenau. - HEINRICH KRANECK. Die alten Ritterburgen und Bergschlösser in Hohen-Rhätien. Chur 1921. - ERWIN POESCHEL. Das Burgenbuch von Graubünden. Zürich/Leipzig 1929. - Ders. Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, Bd. I: Die Kunst in Graubünden; ein Überblick, Basel 1937. - Ders. Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, Bd. III; Rhäzünser Boden, Domleschg, Heinzenberg, Oberhalbstein, Ober- und Unterengadin, Basel 1940. - Ders. Das Bürgerhaus in der Schweiz. XVI. Bd. Das Bürgerhaus im Kanton Graubünden. III. Teil, Nördliche Talschaften B, Zürich 1956. - MARTIN SCHMID, CHRISTOPH SIMONETT, PAUL E. MÜLLER, PAUL FRAVI, KATHARINA HESS. Graubündens Schlösser und Paläste. 1. Teil, Chur 1969. - ANDREA SCHORTA. Erinnerungen an Fürstenau, in: Bündner Jahrbuch, 31. Jg., 1989, S. 9-33. - ANDREAS TRIPPEL-MEISSER. Fürstenau, die vierte Stadt Graubündens. In: Bündner Jahrbuch, 8. Jg., 1966, S. 72-76. - Verein für Bündner Kulturforschung: Handbuch der Bündner Geschichte, Bde I-IV, Chur 2000.
Bildnachweis
Ralph Feiner, Malans: Umschlagseite vorne, S. 5, 14, 16, 17, 20, 23-25, 27 r., 28, 29, 31 u., 32, 33 u., Umschlagklappe hinten. - Kraneck, Chur 1921, nach S. 14: S. 6. - Paul Salis-Soglio, Staatsarchiv Graubünden, Chur: S. 7, 31 o. - Poeschel: Bürgerhaus, Bd. 16, III. Teil, S. 26: S. 13. - Ivano Iseppi, Fürstenau: S. 18 o. - Kantonale Denkmalpflege Graubünden, Chur: S. 19, 22, Umschlagseite hinten. - Albert Steiner, Fotoarchiv DPG, Chur: S. 26, 27 I., 30. - J. Huber, Fotoarchiv DPG, Chur: S. 33 o.
Dank
Für die gute Zusammenarbeit möchte ich allen an diesem Projekt Beteiligten danken. Insbesondere waren dies: Ludmila Seifert-Uherkovich, Bündner Heimatschutz; Marc A. Nay und Fabien Cerutti, Kantonale Denkmalpflege Graubünden; Dietmar von Blumenthal, Kreispräsident Domleschg; Thomas Hess, Gemeinde Fürstenau; Ralph Feiner, Fotograf & Gestalter, Malans. Ein besonderer Dank gilt auch all jenen, die mir in Fürstenau bereitwillig Auskunft erteilt und Zugang zu den einzelnen Bauten gewährt haben.
Zum Autor
Markus Rischgasser, lic. phil. Kunstwissenschaftler, Abschluss des Studiums im Jahr 2000 an der Universität Basel; arbeitete im Segantini Museum St. Moritz (Archiv- und Bibliothekskonzeption); heute freiberuflich im Bereich der Kunstvermittlung tätig.
Kirchen, Kapellen, Schlösser und Burgen in der Umgebung
Tumegl/Tomils
1 Kath. Pfarrkirche Mariä Krönung. Spätgotischer Bau mit Wandmalereien von Hans Ardüser (1597).
2 «Sogn Murezi». Ruine einer karolingischen Dreiapsidenkirchen und eines frühmittelalterlichen Vorgängerbaus.
3 Schloss Ortenstein. Um 1250 wohl von den Herren von Vaz oder durch den Churer Bischof gegründete Burg, umfassend ausgebaut 14.-18. Jh.
4 Kapelle St. Viktor (Sogn Vetger). Sakralbau des 17. Jhs. unterhalb Schloss Ortenstein.
Paspels
5 Kapelle St. Lorenz (Sogn Luregn). Ehemalige Mutterkirche der östlichen Talseite, unter Einbezug eines zweischiffigen romanischen Baus im 13. Jh. erweitert; spätromanische Malereien A. 13. Jh.
6 Kapelle St. Maria Magdalena in Dusch: Romanische Saalkirche mit frühgotischen Wandmalereien des so genannten Waltensburger Meisters.
7 Burgruine Alt-Sins. Gegründet wohl im 12. Jh.; bildete im 13. Jh. offenbar den Mittelpunkt des bedeutenden vazischen Besitzes im Domleschg.
8 Kath. Pfarrkirche St. Johannes Bap. Biedermeierliche Kirche von 1847 mit barockem Vorgängerbau von 1662 in Chor und Sakristei.
9 Schloss Paspels. Barockes Herrenhaus, erb. für Joh. Viktor Travers v. Ortenstein, aussen E. 19. Jh. durch Nikolaus Hartmann massgebend verändert.
10 Canovasee
11 Burgruine Neu-Sins (Canova). Gegründet wohl 2. H. 13. Jh. von den Herren von Vaz.
Almens
12 Ref. Kirche. Auf Kosten des Bischofs 1694 für die Reformierten errichteter Sakralbau, gegen Überlassung der Andreaskirche an die Katholiken.
13 Kath. Pfarrkirche St. Andreas. Unter Einbezug eines mittelalterlichen Vorgängerbaus 1694 erbaute Barockanlage. Aussen spätgotische Malereien von 1694.
Rodels
14 Kath. Pfarrkirche St. Christophorus und Jakobus d. Ä. Romanischer Turm, gotisches Schiff um 1520, barocker Chor 1725. Reste von Malerein des Mistailer Meisters.
Pratval-Rietberg
15 Schloss Rietberg. Gegründet wohl E. 12. Jh. durch die Herren von Rietberg, ausgebaut im 17. und im 18. Jh.
Scharans
16 Ref. Kirche. Errichtet 1489-1490 durch Steffan Klain (Chor) und Andreas Bühler (Schiff). Romanischer Turm vom Vorgängerbau.
Sils im Domleschg
17 Schloss Baldenstein. Gegr. um 1200 durch die Herren von Baldenstein; mittelalterlicher Bergfried mit anschliessenden Wohnbauten aus dem 16. und 17. Jh. Nach Brand 1877 zeitgemäss wieder aufgebaut.
18 Kapelle St. Cassian. Heute als Begräbniskapelle genutzte ehem. Pfarrkirche; wohl mittelalterlicher Bau.
19 So genannter Palazzo, jetzt Pfarr- und Gemeindehaus. Bedeutendster Herrschaftsbau im Domleschg. Errichtet um 1740 für Conradin Donatz (1688-1750).
20 Burgruine Campi
21 Burg Ehrenfels, heute Jugendherberge. Aufgang zur Burganlage Hohenrätien.
Die Objekte 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 16, 18, 20, 21 sind frei zugänglich.
Die Objekte 3, 9, 15, 17 und 19 befinden sich in Privatbesitz und sind nur von aussen zu besichtigen.